Stromausfall
Der heilige Sonntag
Zu Kindstadt in Franken pflegte eine Spinnerin des Sonntags über zu spinnen und zwang auch ihre Mägde dazu. Einsten deuchte sie miteinander, es ginge Feuer aus ihren Spinnrocken, täte ihnen aber weiter kein Leid. Den folgenden Sonntag kam das Feuer wahrhaftig in den Rocken, wurde doch wieder gelöscht. Weil sie’s aber nicht achtete, ging den dritten Sonntag das ganze Haus an vom Flachs und verbrannte die Frau mit zweien Kindern, aber durch Gottes Gnade wurde ein kleines Kind in der Wiege erhalten, daß ihm kein Leid geschahe.
Man sagt auch, einem Bauer, der sonntags in die Mühle ging, sein Getreid zu mahlen, sei es zu Aschen geworden, einem andern Scheuer und Korn abgebrannt. Einer wollte auf den heiligen Tag pflügen und die Pflugschar mit einem Eisen scheuern, das Eisen wuchs ihm an die Hand und mußte es zwei Jahr in großem Schmerz tragen, bis ihn Gott nach vielem brünstigen Gebet von der Plage erledigte.
Kommentar: Harsdörfers Mordgeschichten, Nr. 120, 3.
Quelle: Deutsche Sagen, Jacob Grimm, Wilhelm Grimm (Brüder Grimm), Kassel 1816/18, Nr. 232.
Der Teufelsfelsen
Die Fichtelberger erzählen: Es habe der Satan den Herrn Christus auf den Kösseinfelsen geführt und ihm die Reiche der Welt gezeigt, auch alle zu schenken verheißen, wenn er ihn anbeten wolle, außer den Dörfern N. und R. nicht, welche sein Leibgeding. –
Die Einwohner dieser Dörfer sind rauh und mißgestalt; die Gegend dabei ist unfreundlich und heißt Türkei und Tartar bei einigen Leuten.
Kommentar: Beschreibung des Fichtelberges, Leipz. 1716, S. 128, 129.
Quelle: Deutsche Sagen, Jacob Grimm, Wilhelm Grimm (Brüder Grimm), Kassel 1816/18, Nr. 192.
Die Heilingszwerge
Am Fluß Eger zwischen dem Hof Wildenau und dem Schlosse Aicha ragen ungeheure große Felsen hervor, die man vor alters den Heilingsfelsen nannte. Am Fuß derselben erblickt man eine Höhle, inwendig gewölbt, auswendig, aber nur durch eine kleine Öffnung, in die man, den Leib gebückt, kriechen muß, erkennbar. Die Höhle wurde von kleinen Zwerglein bewohnt, über die zuletzt ein unbekanntere alter Mann, des Namens Heiling, als Fürst geherrscht haben soll. Einmal vorzeiten ging ein Weib, aus dem Dorfe Taschwitz bürtig, am Vorabend von Peter Pauli in den Forst und wollte Beeren suchen; es wurde ihr Nacht, und sie sah neben diesem Felsen ein schönes Haus stehen. Sie trat hinein, und als sie die Tür öffnete, saß ein alter Mann an einem Tische, schrieb emsig und eifrig. Die Frau bat um Herberge und wurde willig angenommen. Außer dem alten Mann war aber kein lebendes Wesen im ganzen Gemach, allein es rumorte heftig in allen Ecken, der Frau ward greulich und schauerlich, und sie fragte den Alten: »Wo bin ich denn eigentlich?« Der Alte versetzte, daß er Heiling heiße, bald aber auch abreisen werde, »denn zwei Drittel meiner Zwerge sind schon fort und entflohen«. Diese sonderbare Antwort machte das Weib nur noch unruhiger, und sie wollte mehr fragen, allein er gebot ihr Stillschweigen und sagte nebenbei: »Wäret Ihr nicht gerade in dieser merkwürdigen Stunde gekommen, solltet Ihr nimmer Herberge gefunden haben.« Die furchtsam Frau kroch demütig in einen Winkel und schlief sanft, und wie sie den Morgen mitten unter dem Felsstein erwachte, glaubte sie geträumt zu haben, denn nirgends war ein Gebäude da zu ersehen. Froh und zufrieden, daß ihr in der gefährlichen Gegend kein Leid widerfahren sei, eilte sie nach ihrem Dorfe zurück, es war alles so verändert und seltsam. Im Dorf waren die Häuser neu und anders aufgebaut, die Leute, die ihr begegneten, kannte sie nicht und wurde auch nicht von ihnen erkannt. Mit Mühe fand sie endlich die Hütte, wo sie sonst wohnte, und auch die war besser gebaut; nur dieselbe Eiche beschattete sie noch, welche einst ihr Großvater dahin gepflanzt hatte. Aber wie sie in die Stube treten wollte, ward sie von den unbekannten Bewohnern als eine Fremde von der Tür gewiesen und lief weinend und klagend im Dorfe umher. Die Leute hielten sie für wahnwitzig und führten sie vor die Obrigkeit, wo sie verhört und ihre Sache untersucht wurde; sieh da, es fand sich in den Gedenk- und Kirchenbüchern, daß grad vor hundert Jahren an ebendiesem Tag eine Frau ihres Namens, welche nach dem Forst in die Beeren gegangen, nicht wieder heimgekehrt sei und auch nicht mehr zu finden gewesen war. Es war also deutlich erwiesen, daß sie volle hundert Jahr im Felsen geschlafen hatte und die Zeit über nicht älter geworden war. Sie lebte nun ihre übrigen Jahre ruhig und sorgenlos aus und wurde von der ganzen Gemeinde anständig verpflegt zum Lohn für die Zauberei, die sie hatte erdulden müssen.
Kommentar: Spieß: Vorrede zu seinem Hans Heiling.
Quelle: Deutsche Sagen, Jacob Grimm, Wilhelm Grimm (Brüder Grimm), Kassel 1816/18, Nr. 151.
Der schwarze Hund
Der alte Hauser war sein Leben lang ein böser und geiziger Mann.
Als er auf dem Sterbebett lag, schickten seine Angehörigen nach dem Pfarrer um ihm die letzte Beichte abzunehmen.
Der Pfarrer mußte, um zu den Anwesen des Hausners zu gelangen, über eine Brücke, die über den Mühlbach führte. Gerade als er auf der Brücke war, versperrte ihm ein großer schwarzer Hund den Weg. Der Hund ließ sich weder durch Fußtritte, noch durch gute Worte bewegen, den Weg freizugeben.
Plötzlich ließ der Hund ein grässliches Lachen ertönen und er verschwand, als habe ihn der Erdboden verschluckt.
Der Pfarrer konnte nun endlich zum alten Hauser gehen. Doch als er dort eintraf, war der Hauser schon tot.
Der Teufel hat sich seine Seele geholt und er hat verhindert, daß er seine Sünden noch beichten konnte.
Email-Zusendung von Herbert Schön, 3. August 2003, der diese Sage nach Erzählungen von seinen Großeltern, die Bauersleute waren, aufgezeichnet hat.
DER HEILIGE DAMM
An der Ostsee in der Nähe von Doberan war ein Ort in großer Bedrängnis von der Flut, und die Einwohner sahen ihr gewisses Verderben vor Augen. Mit jedem Tage entführte die Flut ein Stück vom Lande, schon drohte den nächst am Ufer gelegenen Häusern der Untergang. Da wurden im ganzen Mecklenburger Lande Betstunden angeordnet, und das Flehen und Schreien eines ganzen Landes fand Gnade vor dem Herrn. Zum letzten Male hatten sich mit Furcht und Zagen die Bewohner zum Schlummer niedergelegt, und viele fanden ihn nicht, denn die See rauschte gewaltig und ging hohl, und der Boden erzitterte, und es zuckten Blitze über die Meereswogen. Dann wurde es stiller, und der Mond trat hinter Wolken hervor, und da schauten manche vom Strande ängstlich hinaus, da lag etwas Großes, Dunkles im Wasser, und manche meinten, es sei der Kraken, der seinen inselgleichen Rücken aus der Flut hebe, und als der Tag kam, siehe, so verlief sich das Wasser mehr und mehr vom Strande, und vor den Blicken der erstaunten Bewohner lag eine hohe Düne wie ein Wall und fester Damm. Der war auf das Gebet des Landes in einer Nacht entstanden durch die göttliche Hilfe, und alles Volk lobte Gott, und sie nannten den Damm den heiligen Damm und konnten ihn nicht ohne Dank und Verehrung erblicken.
Quelle: Ludwig Bechstein, Deutsches Sagenbuch, Leipzig 1853
Die wilden Reiter
Es war Neujahrstag ein paar junge Burschen sitzen im Gasthaus des kleinen Dorfes und unterhalten sich über den Aberglauben, der immer noch in den meisten Köpfen spukt. Der Sohn des Sägewerkbesitzers war derjenige, der am wenigsten daran glaubte. Er sagte so ein Schmarren in der Nacht zu Hlg. drei König werde es bestimmt keine wilden Reiter geben.
Ein alter Mann hatte nämlich behauptet,wenn in der Nacht vom 5.auf den 6. Januar um Mitternacht ein Mensch draußen auf dem Feld ist, kann er die wilden Reiter hören, sie jagen auf unsichtbaren Pferden duch die Luft und schreien: „Was höher als ein Maulwurfhügel ist, nehmen wir mit!“
Es ist schon so mancher, der es nicht glauben wollte, verschwunden. Der Sohn des Sägewerkbesitzers und seine drei Freunde fanden so etwas lächerlich und meinten spötisch, wir beweisen es Euch, dass es keine wilden Reiter gibt!
Als dann der 5. Januar kam, gingen die vier jungen Männer hinaus aufs Feld. Der Wind heulte und trieb kleine Schneeflocken vor sich her, keiner sprach ein Wort. Es war zehn Minuten vor Mitternacht, als sie die
höchste Stelle erreichten. Plötzlich sagte einer, dem es doch nicht ganz geheuer war: „Ich gehe zurück – mir ist es viel zu kalt, ich warte im Gasthaus auf euch!“
Das sagte auch ein weiterer und so eilten sie zurück ins Dorf.
Der Sohn des Sägewerkbesitzers und sein bester Freund blieben. Als es kurz vor Mitternacht war, sagte der Freund, wir müssen uns jetzt flach hinlegen, falls es die wilden Reiter doch gibt, dürfen wir nicht höher als ein Maulwurfhügel sein, das hat doch der Alte gesagt! „Ja, leg dich nur hin!“, meinte sein Freund, ich gehe noch ein paar Meter weiter, wo es am höchsten ist. Der andere legte sich, dort wo er stand, flach auf die Erde – sicher ist sicher – dachte er sich und sah seinem Freund noch hinterher. Plötzlich zuckte er zusammen,
die Kirchturmuhr im Dorf schlug zwölf – im gleichen Augenblick vernahm er ein Brausen und Sausen – unwillkürlich machte er sich noch kleiner und steckte den Kopf in den Schnee er blieb so eine Weile liegen. Als er wieder seinen Kopf erhob, hörte er nur noch das leise Säuseln des Windes.
Von seinen Freund war nichts zu sehen, er rief seinen Namen vergebens.
Schließlich ging er den Spuren nach, die sein Freund im Schnee hinterlassen hat, doch plötzlich hörten diese auf. Er rief noch einige Zeit seinen Namen, aber es war vergebens – der Freund war verschwunden! Eine schreckliche Angst überkam ihn und er lief so schnell er konnte ins Dorf zurück.
Mit lauten Geschrei wurde er dort empfangen und jeder wollte wissen was geschehen sei?
Er erzählte aufgeregt, dass sein Freund spurlos verschwunden ist, erst glaubten die Leute, er mache Spass aber dann erkannten sie auf seine Angst und glaubten ihm. Mit Lampen ausgerüstet gingen sie den Hügel hinauf, den Fussspuren nach, aber die Spuren hörten abrupt auf. Der Sohn des Sägewerkbesitzers war verschwunden.
Als der Sommer und der Bursche noch immer nicht kam, setzte der Vater eine hohe Belohnung aus, für diejenigen, die etwas über den Verbleib des Sohnes sagen konnten: doch alles war vergebens.
So verging ein Jahr und am ersten Januar wurde im Wirtshaus wieder heftig diskutiert, was damals gewesen sein könnte? In der Nacht als er verschwunden war, hielten alle Leute eine Schweigeminute ein. Sie hörten laut die Kichenglocke die zwölfte Stunde schlagen, plötzlich wurde die Tür aufgerissen und der verschwundene junge Mann stand vor ihnen, aber wie sah der aus?
Schneeweißes Haar hing ihm lang von der Schulter seine Augen waren gerötet und blickten wirr in den Raum, er konnte kein Wort sprechen. Der Vater mußte ihn in eine Heilanstalt einweisen lassen, wo er noch lange lebte. Aber kein Mensch erfuhr je, wo er das ganze Jahr über gewesen ist und ob ihn wirklich die wilden Reiter mitgenommen hatten.
Email-Zusendung von Herbert Schön, 3. August 2003, der diese Sage nach Erzählungen von seinen Großeltern, die Bauersleute waren, aufgezeichnet hat.